Pädagogische Fachzeitschriften 2006

Viktimisierungen und Gewalthandlungen im Jugendalter

Gewalthandlungen im Jugendalter ziehen ein großes Interesse nach sich, da sie einerseits häufige kinderpsychiatrische Krankheiten sind, und anderseits frühe und häufige Gewalt einen sicheren Vorhersagefaktor für weitere Gewalt bedeutet. Dabei handelt es sich um ein Problem, das durch viele verschiedene Faktoren beeinflusst wird. Kinder mit Gewalterfahrung im Elternhaus sind aggressiver als Kinder ohne Gewalterfahrung. Die Ausprägung hängt auch davon ab, ob die Gewalterfahrung durch die Mutter oder dem Vater gemacht wird. Kinder, denen solche Gewalt widerfahren ist (viktimisierte), sehen Handlungen im zwischenmenschlichen Verhalten meist als Bedrohung, obwohl dies nicht der Fall sein muss, und glauben daher, durch einen Gegenangriff dem vermeintlichen Feind zuvorkommen zu müssen. (vgl Uslucan & Fuhrer 2004, S 178 f) 

Bei Untersuchungen zur Jugendgewalt konnte in Deutschland ein Zusammenhang zwischen Gewalterfahrung und Gewaltbilligung nachgewiesen werden, wobei dieser bei Burschen stärker war als bei Mädchen. Der Anteil der Jugendlichen, die zuhause Gewalterfahrungen gemacht haben und nun der Gewalt von Gleichaltrigen ausgesetzt sind, ist doppelt so groß als der ohne Gewalterfahrung. (vgl Uslucan & Fuhrer 2004, S 179)

Die Studie umfasst die Gewalt im Elternhaus als Erklärung für jugendliche Gewalt, und wie verschiedene Formen der familiären und außerfamiliären Gewalt auf die jugendliche Gewalt wirken. Speziell wurde untersucht, wie häufig sind jugendliche Gewalterfahrungen,  inwieweit sind solche Erfahrungen relevant für zukünftige Gewalt und inwieweit lässt sich vorhersagen, dass Opfer auch gewalttätig werden.

Methode

Der Stichproben Umfang beträgt 660 Schüler. Es wurden 7., 8. und 9. Klassen befragt. Das Durchschnittsalter betrug 15,7 Jahre. Ca. 60% besuchten ein Gymnasium und ca. 40% die Sekundarschule. Weiters waren ca. 52% Mädchen und 48% Jungen. Zur Beantwortung der Fragen standen 5 Möglichkeiten zur Verfügung. Von „stimmt sehr“ bis „stimmt nicht“ bzw. von „immer“ bis „nie“. Die Gewalt wurde wie folgt definiert. „Elterliche Gewalt“ (=schlagen, ohrfeigen, treten), „Gewaltakzeptanz“ (=Gewalt dient zur Lösung eines Konfliktes), Gewalttätigkeit (=Teilnahme an Gewalt), „Gewaltmittäterschaft“ (=Involvierung in Gewalt in der Gruppe) und „Gewaltopferschaft“ (= Opfer werden gehänselt, schikaniert, geschlagen, bedroht). Die Befragung war anonym und freiwillig und von den Eltern erlaubt und unter Aufsicht eines Lehrers durchgeführt. (vgl Uslucan & Fuhrer 2004, S 180 f)

Ergebnisse

Gewalterleben innerhalb der Familie. Gewalterfahrung durch die Mutter (62% nie, 28% selten, 8% gelegentlich, 2% oft), Gewalterfahrung durch den Vater (72% nie, 18% selten, 7% gelegentlich, 3% oft). Dies ergibt einen Anteil von ca. 10% gewaltausübender Eltern.

Gewalterleben außerhalb der Familie. Etwas mehr als die Hälfte gab an nie aktiv Gewalt angewendet zu haben, ca. ein Drittel gab an, zumindest einmal gewalttätig gewesen zu sein, 8% gaben an, gelegentlich gewalttätig gewesen zu sein und 5% gaben an, oft gewalttätig gewesen zu sein. Das Ergebnis bei Gruppengewalt sieht wie folgt aus: 60% nie, 30% selten, 13% gelgentlich bis oft. Zusammengefasst ergibt sich ein harter Kern von ca. 14% gewalttätigen Jugendlichen, wobei dies einer Steigerung von ca. 4% innerhalb von 10 Jahren entspricht, welche jedoch auch auf regionale Unterschiede zurückgeführt werden kann. Es wurde deutlich, dass mehr Jugendliche angaben Gewaltopfer zu sein, als Gewalttäter. Ca. 15% gaben an, Gewaltopfer von Altersgenossen zu sein. Auch wurde die Gewalt im Elternhaus deutlich durch die Gewalt im Peer-Kontext übertroffen. Gerade für Lehrer ist dies wichtig, da sie häufig nur Täter strafen, jedoch die Opfer meist nicht registriert werden, da diese unauffälliger sind (geringeres Selbstwertgefühl), wobei ein Opfer- bzw. Täterstatus kein unabänderliches Persönlichkeitsmerkmal ist. In den Sekundarschulen wurde mehr Gewalt angewendet als in den Gymnasien. Im geschlechtlichen Unterschied zeigte sich, dass bei Jungen mehr Gewalt angewendet wurde als bei Mädchen. Bei der elterlichen Gewalterfahrung gab es hingegen kaum Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen. (vgl Uslucan & Fuhrer 2004, S 181 ff)

Zusammenhang zwischen Gewalt in der Vergangenheit und zukünftigem Gewaltverhalten.

Es zeigte sich ein positiver Zusammenhang zwischen elterlicher Gewalterfahrung in der Kindheit und  früherer Gewalttätigkeit mit der aktuellen Gewaltakzeptanz. Aber frühere Gewaltopfer im Peer-Kontext sind jetzt eher gewaltablehnend. Für die Gewaltausübung Jugendlicher ist vor allem neben früherer eigener Gewaltausübung auch die Gewaltausübung durch den Vater verantwortlich. Die Gewaltmittäterschaft lässt sich am besten mit elterlicher Gewalterfahrung und früherer Gewaltmittäterschaft voraussagen. Das Risiko gegenwärtig Opfer  von Gewalt in Peer-Kontext zu werden ist höher, wenn man auch früher bereits Opfer war. Es gibt auch eine gelernte Opferschaft aufgrund eines geschwächten Selbstwertgefühles und eines geringen Durchsetzungsvermögens. Dadurch können Jugendliche leichter Außenseiter werden, was weitere Gewalttaten mit sich bringt. (vgl Uslucan & Fuhrer 2004, S 185 f)

Quelle

Uslucan, H. & Fuhrer, U. (2004). Viktimisierungen und Gewalthandlungen im Jugendalter. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 51, 178-188.


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