Pädagogische Fachzeitschriften 2006

Franz Hammerer & Clara Renner

Die finnische Grundschule Karonen koulu

Zur Unterstützung eines pädagogischen Konzepts durch schularchitektonische Gestaltung 

Schularchitektur – Bedeutung und kritische Analyse

Früher und auch heute noch wurden viele Schulgebäude in Österreich und Deutschland nach einem bestimmten Muster gebaut. Die Räume sollen gleich groß sein, an einen langen Gang angeknüpft und für den direkten, einseitigen Unterricht konstruiert werden. Dahinter steckt der Gedanke, Kinder und Jugendliche für eine gewisse Anzahl an Stunden in ein Klassenzimmer zu setzen, wo sie zusammen mit der lehrenden Person Gegenstände des Lehrplanes erarbeiten. Doch Schulen sind mehr als nur Arbeitsplätze. Sie sind Lebensräume, in denen sich junge Menschen stundenlang aufhalten, sich soziale Kompetenzen aneignen und körperlich aktiv sind.

Der Einfluss didaktisch sinnvoll gestalteter Lehranstalten wurde bisher beträchtlich unterschätzt, von US-amerikanischen Untersuchungen jedoch wissenschaftlich belegt.

So führen warm und weich geformte Räume zu weniger Konflikte unter den Schülern, aber zu mehr Erfolg im Unterricht (vgl. Rittelmeyer 2004). Die Karonen-Schule in Finnland geht hier mit gutem Beispiel voran und sowohl Schüler als auch Lehrer profitieren von der durchdachten Architektur dieser Grundschule.

Freude am Lernen in sicherer Umgebung – die Karonen-Schule macht einen pädagogischen Leitgedanken in der Architektur sichtbar

Dennoch sollte man nicht meinen, die Schulen des PISA-Spitzenreiters Finnland wären ausgereift, was ihre Bauweise betrifft. Wie in Österreich oder Deutschland hat auch das skandinavische Land noch viel Nachholbedarf in puncto moderner Schularchitektur.

Zum endgültigen Bau der Karonen-Schule kam es nach einer ungefähr eineinhalbjährigen Planungsperiode, die Lehrer, Architekten und auch Schüler dazu nutzten, Ideen auszutauschen und an deren Umsetzung zu arbeiten. Dazu gehört ein gewisses Maß an Aufgeschlossenheit von Seiten des Architekten, der Illusionen seiner Auftraggeber nicht als unmöglich durchführbar abspeisen darf. Architekten müssen alles geben, um nicht nur die pädagogischen Wünsche zu erfüllen sondern gleichzeitig auch die vorgegebenen Baurichtlinien einzuhalten. 

Raumgestaltung

Um den Unterricht didaktisch klug und auf sozialer Ebene förderlich zu gestalten, wurden räumliche Einheiten (Units) errichtet. Jede Einheit wurde mit vier Klassen besetzt. Diese erlauben es den Kindern und Jugendlichen, sich frei zu bewegen. Deren Gestaltung muss den Kindern das Gefühl geben, sich sicher und geborgen zu fühlen. Eine solche Umgebung motiviert zum Lernen.

Weiters wurde auf die Auswahl der Schulmöbel geachtet. Ob spezielle Sitzgelegenheiten für den Sprachunterricht oder Sofas, die in der Aula aufgestellt werden; die Schule soll quasi als ein zweites Zuhause fungieren, zu dem Wohnlichkeit und Ausstrahlung gehören. Auch auf die Privatsphäre der Schüler wurde bei der Umsetzung des Karonen-Projekts großen Wert gelegt. Jeder bekommt einen ganz privaten Platz, wo Schulsachen aber auch persönliche Gegenstände aufbewahrt werden können. 

Das Zentrum der Schule – ein multifunktionaler Flügel

Zudem wurde beim Schulbau speziell auf die Errichtung eines allgemeinen Schulzentrums für alle geachtet. So befinden sich Mensa, Bibliothek und Freizeiträume im Zentrum des Gebäudes. Die Schüler sollen so erzogen werden, in einer großen Gemeinschaft zu leben, in der sie mit Mensa-Bediensteten, Lehrern und auch mit dem Putzpersonal gemeinsam am Ziel des Schulabschlusses arbeiten.

Besonders die Zusammenarbeit zwischen der gesamten Lehrbelegschaft und ihren Schützlingen macht es möglich, ausgezeichnete Ergebnisse zu erzielen und bei Tests wie der PISA-Studie hervorragend abzuschneiden.

Siehe hier auch [be.st]architektur

Quelle

Rittelmeyer, C. (2004). Zur Rhetorik von Schulbauten. Über die schülergerechte Gestaltung des architektonischen Ausdrucks. In Die Deutsche Schule (96. Jg., 2/2004, S. 201ff).


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