Pädagogische Fachzeitschriften 2006

Karl Heinz Gruber

Bildungsstandards: „World class“, PISA-Durchschnitt und österreichische Mindest-Standards  

Susan Fuhrmann beschrieb (nach dem 1983 erschienen Bericht „A nation of risk“) folgende Reformbewegungen: „excellence movement“ zur Förderung von Hochbegabten, „restructuring movement“ zur Erhöhung der Schulautonomie und dem „standards movement“ das eine Fokussierung auf die Leistungsanforderungen der Schüler und ein erhöhtes Leistungs-Output bewirken sollte. 

Die Reformbemühungen der letzten Jahrzehnte in den deutschsprachigen Ländern steht aktuell bei der Bearbeitung von „Standards“ als bildungspolitisches Leitmotiv was auf die Fixierung auf messbareren Outputs schulischer Lehr- und Lernprozesse und dem Einfluss der experimentier- und testfreudiger angloamerikanischer Länder und als Reaktion auf die PISA-Studie (als internationaler Vergleich des muttersprachlichen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen 15-16-jähriger Schüler) zurückzuführen sein dürfte. 

Der „PISA-Schock“ in Deutschland

Seither gibt es kaum noch eine deutschsprachige schulpädagogische Veröffentlichung ohne eine Bezugnahme auf die Studie in der Einleitung. Von den verschiedenen Ländern gab es verschieden Reaktionen auf deren Abschneiden zum Bespiel in Form von Printmedien-Artikel  – doch nicht in einem Land mit solch umfangreichem Ausmaß wie in Deutschland. Unter anderem aufgrund der überraschenden Ergebnisse stellte sich eine Unsicherheit beim „Volk der Dichter und Denker“ ein, die vielen Ortes besprochen werden wollte. Zwar war ein gewisser Mangel an Qualität  von Schulen und Schulsysteme bekannt, bislang hatte man sich aber geweigert diesen zu akzeptieren, zu Groß war das Vertrauen in das hochbürokratische Schulwesen. Als Reaktion wurde in der “Bildungsbericht für Deutschland“ der Kulturministerkonferenz (2003) vorgeschlagen sich an den erfolgreicheren Ländern der Studie zu orientieren und gleichzeitig als hinderlichen Tendenzen die der „Tabuisierung einer Strukturreform der Sekundarstufe I“ und die der „hypertrophen Erwartungen in die Einführung  nationaler Bildungsstandards als Universalheilmittel“ beschrieben. 

Exkurs: Die – leider schiefe – österreichische Optik von PISA

Zwar wurden mit Stolz die zum Teil überdurchschnittlichen Ergebnisse präsentiert jedoch ohne die Tatsache anzumerken, dass diese auf einer irregulären Datenbasis beruhen. Grund dafür ist das vorherrschende österreichische Schulsystem nach dem viele der 15-16-Jährigen als „early leavers“ und „drop outs“ und mit ihnen die untere Gruppe der Leistungsschwachen und wenig Lernwilligen ausschied, wodurch es – der OECD auch bekannt – zu erheblichen Verzerrungen gekommen ist. Das folgende Problem ist nun, dass bei der nächsten PISA-Studie – sollten die anfangs gemachten Fehler behoben werden – die Ergebnisse nicht mehr mit denen der vorangegangen Studie vergleichbar sind. Ein fundamentaleres Problem für Österreich ist allerdings der Umstand, dass aufgrund von durch das „nach der Grundschule auslesende“ Schulsystem ausländische/Hilfsarbeiter-Kinder in den Hauptschulen landen, was für diese Kinder einen großen schulischen Nachteil bedeutet, was in anderen deutschsprachigen Ländern mit gleichem Schulsystem ebenfalls zutrifft.

Was aber nach Meinung Spechts (2002, S. 48) noch kein ausreichender Grund für die Befürwortung gesamtschulartiger Schulsysteme sei, wobei sein Verhalten nur mustergültig für die Tendenz deutscher und österreichischer Erziehungswissenschaftler ist, die sich an diesem Thema nicht die Finger verbrenne wollen. 

„Bildungsstandards“ – Ein nicht standardisierter Begriff

Derzeit bezeichnet er „einen Maßstab, d.h. als Tests oder Test-Items“, eine „zu erreichende Leistungsnorm“ oder als „tatsächlich erreichtes, gemessenes Kompetenzniveau“. Problematisch war in der Vergangenheit oftmals das Außerachtlassen des Kontextes in dem der Standard auftritt. 

Standards – Wofür?

Standards erfüllen drei Hauptfunktionen: „System-Monitoring“ (Kontrolle des gesamten Bildungssystems), „Evaluation der einzelne Schulen“ (zur Qualitätssicherung und –verbesserung) und „Individualdiagnostik der einzelnen Schüler“.

Markant ist ebenfalls dass die Schwerpunkte die auf die einzelne Fächer gelegt werden von Land zu Land unterschiedlich sind – wobei für Deutschland und Österreich Mathematik und Deutsch vorrangig sind, als Fähigkeiten für zukünftige Lernprozesse und der allgemeinen Lebensbewältigung. 

Zu erwartende Nebenwirkungen und offene Fragen

Problematisch kann die weiter zunehmende Fokussierung auf die ohnehin bereits als solche bekannten Hauptfächer Mathematik, Deutsch und die erste Fremdsprache werden, was in weiter Folge allerdings zu einer Verschiebung der Ausgewogenheit der Allgemeinbildung und zudem eine Verlagerung der Bemühungen und der Ressourcenverwendung der Schüler auf genau diese Fächer bewirken würde.

Eine allgemeinere Herangehensweise an die Qualitätsfeststellung der Ausbildung ist zum Beispiel ein Öffentlichmachen von allgemeinen Testergebnissen von und für Schulen, wie es in Frankreich und England bereits der Fall ist. So können Schüler und Eltern empirische, objektive Beurteilungskriterien zur Wahl der zukünftigen Ausbildungsstätte des Kindes heranziehen.

Von staatlicher Seite kann hier dahingehend interveniert werden, dass Schulen, die wiederholt gestellte Mindeststandards nicht erreicht haben als „pädagogisch Bankrott“ erklärt werden und dann allerdings durch Einsatz von Fachkräften von innen heraus umstrukturiert, modifiziert und verbessert werden – so bereits in England praktiziert.

Quelle

Gruber, K. H.: Bildungsstandards: „World class“, PISA-Durchschnitt und österreichische Mindest-Standards. In: Erziehung und Unterricht September/Oktober 7-8/04, 2004

Specht, W.: Systemsteuerung und Qualitätsentwicklung im Bereich des Schulwesens. Zentrum für Schulversuche und Schulen


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