Zur Diskussion über Evaluationskriterien und Evaluationsverfahren
Dieser Text beschäftigt sich mit der Thematik, was eine gute Schule ausmacht, wie und ob man die „Güte“ einer Schule messen kann und was Eltern tun können, damit die Schule ihrer Kinder „besser“ wird.
Die Ansätze des Autors, Otto Seydel, münden nicht in Zielvorgaben oder in Schulentwicklungsrezepten, sondern in sechs Kriterien die nützlich sein können, um die Qualität einer Schule zu beurteilen. Diese sechs Kriterien stellen hohe Ansprüche an eine Schule und der Autor ist sich bewusst, dass Schulentwicklung eine „Utopia“ darstellt. (vgl. Seydel 2005, S. 285ff) „Die vollkommene Schule gibt es eben nur als Vision. Jede real existierende Schule muss immer Kompromisse eingehen“ (Seydel 2005, S.285f)
Das erste Kriterium beschäftigt sich mit dem einzelnen Schüler und seiner Individualität. Jeder Schüler sollte ernst genommen werden, da er ein Recht darauf hat, als unverwechselbares Individuum wahrgenommen zu werden. (vgl. Seydel 2005; S.286)
Das zweite Kriterium besagt, dass die Basiskompetenzen für alle Schüler gesichert sein sollten. Ein Schüler, der nicht lesen, schreiben und rechnen kann, wird den Kampf um Ausbildungs- und Arbeitsplätze verlieren. (vgl. Seydel 2005, S.286f)
Das dritte Kriterium besagt, dass der Unterricht erziehen und Verstehen lernen soll. Schule darf nicht nur Wissen vermitteln, sondern muss auch Verstehen lernen. Schulen haben die Aufgabe, die Schüler mit den Grundlagen der Kultur vertraut zu machen. (vgl. Seydel 2005, S.287) „Bildung heißt Sinn- und Wertfragen zu stellen. Bildung heißt sich in der Demokratie bewähren.“ (Seydel 2005, S.287)
Das vierte Kriterium zielt auf die Freude an der Leistung der Schüler ab. Die Schüler sollten motiviert sein mit sich selbst in einen Wettkampf zu treten und ihre Bestleistungen immer wieder zu feiern. (vgl. Seydel 2005, S.287)
Kriterium Nummer fünf fordert, dass sich eine Schule in ihrer Gemeinschaft bewähren sollte. „Eine gute Schule ist mehr als ein Lernort.“ (Seydel 2005, S.287) In der Schule sollten die Kinder und Jugendlichen die Erfahrung machen, dass es auf sie ankommt und dass sie gebraucht werden. Die Werte, zu welchen eine Schule erziehen muss, sind selten für den Unterrichtsstoff geeignet. Im Alltag der Schule sollten Selbstständigkeit, Solidarität und Hilfsbereitschaft von allen Beteiligten gelebt werden. (vgl. Seydel 2005, S.287f)
Das sechste Kriterium zeigt, dass eine gute Schule eine lernende Institution ist. „Die Schule muss auch darin Vorbild sein, dass sie selbst mit dem gleichen Ernst lernt, wie sie es den Kindern und Jugendlichen vermitteln will.“ (Seydel 2005, S.288) Die Schule braucht Selbstständigkeit um den wandelnden Bedingungen und Anforderungen immer wieder gerecht werden zu können, ihre Arbeit ist nie „fertig“. (vgl. Seydel 2005, S.288)
Man sollte nicht die Quantität von Schulen „messen“ sondern deren Qualität, denn Bildung ist weit mehr als das, was PISA und Schulstatistik messen können. Andreas Schleicher, der Koordinator der PISA-Studie sagte: “Daten sind unsere Freunde, aber auch selbst die besten freunde wissen nie die ganze Wahrheit.“ Es gibt jedoch auch vier Evaluationsverfahren, auf denen Daten für die Schulentwicklung gewonnen werden können. Die harten Schuldaten beurteilen nicht das pädagogische Handeln, sondern es das „was am Ende herauskommt“. Testbasierende Schulvergleiche nehmen sich den Vergleich von messbaren Schulleistungen vor während sich die Selbstevaluation auf die Bewertung der eigenen Schule nach selbst gewählten Kriterien bezieht. Die externe Evaluation setzt auf die Bewertung von „außen“, da meist die eigenen Fehler weniger schnell erkannt werden. (vgl. Seydel 2005, S.288-292)
Es stellt sich nun noch die Frage, was Eltern tun können, damit die Schule ihrer Kinder „besser“ wird. Eltern sollte sich auf am Schulalltag „beteiligen“ bzw. helfen. Seien es nun die Mütter, die Tag für Tag die Brote in der großen Pause schmieren, oder die Väter, die sich an Wochenenden bei der Renovierung der Schule beteiligen. (vgl. Seydel 2005, S. 292) „Erfolgreiche Schulen zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass die Klassenzimmertür auch für Elternbesuche- und Unterstützung fast immer offen ist.“ (Seydel 2005, S.293) Ein weiterer Punkt ist die „Wertschätzung“ des Lehrers. Dies beginnt schon dabei, in welchem Ton zu Hause über den Lehrer gesprochen wird. Wichtig ist es, dass Eltern in Konfliktsituationen den Lehrern gegenübertreten und das Problem aktiv ansprechen. Es solle keine Tirade von Vorwürfen sein, viel eher ein Angebot, den Lehrer bei der Realisierung ein neuen Lösung aktiv zu unterstützen. Wichtig ist auch zu wissen, dass Lehrer auch gelobt werden wollen. (vgl. Seydel 2005, S. 292f) „Je mehr ein Lehrer sich in seiner Arbeit wertgeschätzt fühlt, umso mehr kann er Wertschätzung und Achtung auch an die ihm anvertrauen Künder und Jungendlichen weitergeben.“ (Seydel 2005, S.293)
Nach Seydel (2005, S. 285) beschränken sich die Kriterien für eine gute Schule nicht nur auf harte, messbare Fakten sondern sie beinhalten auch weiche, subjektive Punkte, die über verschiedene Evaluationsverfahren greifbar gemacht werden können.
Seydel konkretisiert die Frage, was eine gute Schule ausmacht und stellt sechs Kriterien vor, mit deren Hilfe die Qualität einer Schule beurteilt werden kann:
Im Hinblick auf eine objektive Bewertung der Qualität von Schulen weist Seydel darauf hin, dass die oben genannten Kriterien kaum quantitativ messbar sind. Dies wäre jedoch die Voraussetzung dafür, die Qualität einzelnen Schulen untereinander vergleichbar zu machen und ein Qualitätsranking erstellen zu können. Außerdem gibt er zu bedenken, dass zu einer erfolgreichen Bildung die „Schule immer nur beiträgt nie alleine herstellt!“ (Seydel 2005, S. 289).
Um die Qualität von Schulen jedoch in irgendeiner Weise greifbar machen zu können und vor allem, um die Qualität der einzelnen Schulen mit Hilfe von Vergleichsdaten verbessern zu können, schlägt Seydel vier verschiedene Verfahren zur Gewinnung solcher Daten vor:
Für eine zusätzliche Verbesserung der Schulen ist es für Seydel außerdem notwendig, dass sich die Eltern der Schülerinnen und Schüler aktiv im Schulalltag engagieren (S. 292) und dass die Wertschätzung für den Beruf Lehrer in der Gesellschaft steigt (S. 293).
Nach Seydel (2005, S 285) ist es nicht immer einfach die Qualität von Schulen zu messen. Dem Betrachter sind meist wenige Blickwinkel bekannt und es kann zu einem fälschlichen Bild kommen. Alltägliche Vergleiche gelten meist als subjektiv und können nicht als messbare Indikatoren für die Qualität einer Schule verwendet werden. In seinem Artikel stellt Seydel sechs Kriterien vor, die für die Beurteilung einer Schule nützlich sein können.
Kriterium 1
Als „gute Schulen“ gelten jene Bildungseinrichtungen, die jedem einzelnen Schüler gerecht werden und dessen Individualität fördern. Leitidee ist es, nicht Lehrpläne oder Schulgesetze als Vorgabe zu erachten, sondern den Unterricht auf die Schüler und Schülerinnen abzustimmen.
Kriterium 2
Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist, die Basiskompetenzen für alle Schüler und Schülerinnen zu sichern und zu gewährleisten, (...) „dass am Ende der Schulzeit jeder wirklich jeder Schüler ausreichend lesen, schreiben und rechnen kann“. (Seydel, 2005, S 286)
Kriterium 3
Guter Unterricht bedeutet für Seydel, Erziehung, Aufrechterhaltung der Neugier, Verständnis und Sicherung der erlangten Bildung. Es soll nicht nur vermittelt werden sondern Bildung soll auf jedem Niveau verstanden und erlernt werden.
Kriterium 4
Eine gute Schule soll die Freude an der eigenen Leistung fördern. Es sollen die persönlichen Lernerfolge und Lernsituationen der Schüler und Schülerinnen hervorgehoben werden. Die Schüler und Schülerinnen sollen dazu animiert werden persönliche Bestleistungen zu erbringen und sich ständig neu zu definieren. Laut Seyder (2005, S 287) sollen inhaltliche Ergebnisse der Arbeiten beurteilt werden, nicht jedoch Arbeiten und Noten von anderen Mitschülern.
Kriterium 5
Das vorletzte Kriterium von Seyder beschäftig sich mit der Gesellschaftsfähigkeit der Schüler und Schülerinnen. Eine gute Schule soll ein Lebensort für Kinder sein, wo sie Gemeinschaft erfahren und Demokratie erproben können. Es soll den Kindern bewusst werden, dass sie ein wichtiger Bestanteil der zukünftigen Gesellschaft sind. Weiters soll ihnen klar werden, dass jeder seinen Beitrag leisten kann und dass gewisse Regeln und Ordnungen eingehalten werden müssen. Seyder behauptet, „dass Verantwortung, Solidarität, Hilfsbereitschaft, Zuwendung und Mitleid im Schulalltag erlebt und erlernt werden müssen“ (Seyder, 2005, S 288), welche für die Gesellschaft enorm wichtig sind.
Kriterium 6
Eine gute Schule zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf Veränderungen selbst reagieren kann und das sie Reformen begrüßt. Gute Schulen müssen auf wandelnde Bedingungen und Anforderungen immer antworten können.
Seyder betont in seinem Artikel, dass die Qualität der Schule nicht einfach zu erfassen ist. Schulstatistiken oder PISA-Studien haben nur wenig Aussagekraft für ihn. Angesichts der unüberschaubaren Menge und Komplexität bildet jede Reihung der Schulen immer ein großes Maß an Ungewissheit. Ziel dieser Vergleiche sollte es sein, die Qualität der einzelnen Schulen intern weiterzuentwickeln. Nach Seyder (2005, S 291) bildet die Selbstevaluation einen der wichtigsten Bestandteile der Bewertung von Schulen. Es sollen die eigenen Schwachstellen herausgefunden und reduziert werden. (Fragebogen für die Selbstevaluation online im Internet: http://www.blickueberdenzaun.de). Auch die Gestaltung von außen ist für eine Schule enorm wichtig. Eltern können mitwirken und zur Verbesserung der Lernbedingungen in Schulen beitragen.
Seyder verdeutlicht mit seinem Leitbild eine pädagogische Vision, welches nur sehr schwer umsetzbar ist. Er behauptet jedoch, „dass es ohne ein solches forderndes Leitbild keine gute Pädagogik geben kann (...) und wer von einem solchen aberwitzigen Plan hartnäckig getrieben wird, (...) an einem ganz neuen ort ankommen kann“(2005, S 285).
Seydel, Otto (2005). Was ist eine gute Schule? Zur Diskussion über Evaluationskriterien und Evaluationsverfahren. Die Deutsche Schule. 97. Jg.2005, 285-293.