Pädagogische Fachzeitschriften 2006

Peter Zimmermann und Gottfried Spangler

Jenseits des Klassenzimmers

Der Einfluss der Familie auf Intelligenz, Motivation, Emotion und Leistung im Kontext der Schule

Motivation und Emotionsregulator

Die Bereitschaft eines Menschen zu lernen, also motiviert und interessiert an eine intellektuelle Arbeit heranzugehen, hängt davon ab, welche Emotionen er mit den Lehr-Lernsituationen verbindet. Ausschlaggebend für eine positive Gefühlsbasis in Bezug auf Lernen sind Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit. Autonomes Handeln entsteht aus einer familiären Vertrauensbeziehung. Nicht nur Emotionen sind essentiell für die Leistungsfähigkeit, sondern auch der effektive Umgang mit den eigenen Gefühlen. Sowohl positive, als auch negative Gefühle haben Einfluss auf die Leistung. Beispielsweise sind negative Gefühle mit dem schnellen Aufgeben bei schweren Sachverhalten mit eventuellen weiteren Fehlern verbunden. Ist man sich dieser Emotionen bewusst und kann sie regulieren, ist Lernen aus Fehlern möglich.

Emotionsregulation

Unter Emotionsregulation versteht man „die Kontrolle von Emotionen für zielorientiertes Verhalten„ (Zimmermann & Spangler 2001, S. 462). Die Regulation kann durch die betroffene Person selbst oder durch andere erfolgen. Ziel ist es, für eine bestimmte Sache Gefühle oder deren Auslöser zu verändern. Internale Prozesse sind die Neubewertung von Ereignissen und externale Prozesse die Veränderung der Situation. Positive Gedanken (Freude, Hoffnung) stärken das Selbstwertgefühl, negative Emotionen (Hoffnungslosigkeit, Trauer) vermindern die Motivation und Leistung. Wenn Emotionen reguliert werden, kann eine negative Emotion auch positive Wirkungen haben (z.B. Angst führt zu gesteigerter Anstrengung). Emotionsregulationen sind ausschlaggebend für eine optimale Zielerreichung. Es ist allerdings weniger wichtig, welche Emotionen beim Lernen entstehen, sondern wichtig ist, diese regulieren zu können. Emotionsregulation ist dann besonders wichtig, wenn der Schüler an seine Leistungsgrenzen stößt. Wenn ein Schüler Misserfolg hat, kommt es stark darauf an, wie er mit den aufkommenden Emotionen umgeht. Er kann die negativen Gefühle wahrnehmen, Ursachen erkennen und das Problem lösen oder er kann um Unterstützung bitten. Ein negatives Selbstwertgefühl auf Grund von Misserfolg sollte vermieden werden. 

Was wird durch die Familie beeinflusst? 

Familiäre Einflüsse auf die intellektuelle Leistungsfähigkeit

Sowohl genetische Faktoren als auch Umwelteinflüsse haben einen Einfluss auf Intelligenz, die bei der Erbringung von Leistung eine Rolle spielt. Das Zusammenspielen dieser beiden Faktoren ist komplex und altersabhängig. Kindern aus der selben Familie nehmen Erfahrungen individuell wahr und haben somit unterschiedliche Emotionen und eine unterschiedliche Motivation. Das Intelligenzniveau ist abhängig von familiären Risiko- und Schutzfaktoren. Darunter fällt das Engagement der Mutter. Soziale Erfahrungen im frühen Kindesalter prägen das Schulverhalten bis zum zehnten Lebensjahr, allerdings hat jedes Kind Verhaltenstendenzen, die berücksichtigt werden müssen. Daraus kann man schließen, dass positive Umwelteinflüsse sich positiv auf Intelligenz, Motivation und Emotionen auswirken und die spätere Leistungsbereitschaft beeinflussen. 

Familiäre Einflüsse auf Leistungsmotivation

Der Einfluss auf die Leistungsmotivation beginnen lange vor dem Schuleintrittsalter. Der Säugling zeigt Freude am Effekt und die Ergebnis- und Selbstzentrierung findet man im zweiten Lebensjahr. Für ein etwa vierjähriges Kind sind Erfolgserlebnisse von großer Bedeutung (unabhängig von der Aufgabenschwierigkeit). Das Kind sollte die eigene Leistungsfähigkeit erkennen. Individuelle Leistungstendenzen sind bereits sehr früh erkennbar, z.B. Erfolgszuversicht oder Misserfolgsängstlichkeit. Diese Motivationstendenzen werden durch die Eltern geprägt. Darunter fallen Selbstständigkeitserziehung, mütterliche Kooperation und Bindungssicherheit. Bei der Selbstbestimmung spielen Autonomiebedürfnis, Kompetenzerleben und soziale Einbindung eine Rolle. Externe Kontrolle schränkt die Autonomie ein. Kompetenzen werden gefördert, wenn das Kind Herausforderungen bewältigen muss, die an die jeweiligen Fähigkeiten angepasst sind. Soziale Bindungen unterstützt man, indem man für die Signale des Kindes feinfühlig ist. Die Förderung der Autonomie und das elterliche Engagement beeinflussten die Leistungsmotivation und den Schulerfolg des Kindes.

Einflussgrößen sind: 

·        Sozio-demographische Faktoren (Ausbildung der Eltern, Anzahl der Familienmitglieder ...)

·        Charakteristika des Kindes (Geschlecht, Temperament ...)

·        Elterliche Überzeugungen (Werte, Erziehungsstil ...)

·        Erwartungen an das Kind (bezüglich Fähigkeiten, Charakter ...)

·        Elterliche Verhaltensweisen (Zeit mit Kind, Lernstrategie ...) 

Zusammenfassen kann man sagen, dass die Familie Einfluss auf die Leistungsmotivation hat. Altersgerechte Aufgaben geben dem Kind das Gefühl von Kompetenz und fürsorgliche Behandlung bewirkt, dass Kinder ihre Eltern als Vorbilder sehen und nach Ihren Werten handeln. 

Familiäre Einflüsse auf die emotionale Regulationsfähigkeit

Emotionen regulieren zu können hängt ab von individuellen und sozialen Faktoren. Ist kein einfacher Lösungsweg vorhanden, spielen „Ich-Kontrolle“ und „Ich-Flexibilität“ eine Rolle. Ob ein Kind seine Emotionen regulieren kann, liegt an der familiären Unterstützung und dem Vorhandensein einer Bezugsperson. Die Vertrauensbeziehung hat einen positiven Einfluss auf die Ausdauer bei Problemlösungen, Anstrengung und Bewertung des eigenen Handelns. Kinder mit einer Bezugsperson gehen eher auf die Instruktionen Fremder ein bzw. sind eher in der Lage, Unterstützung zu suchen. Man kann also sagen, dass Erziehung nur fruchtet, wenn eine Vertrauensbasis vorhanden ist. Bei fehlender Vertrauensbasis sind Kinder auch Gleichaltrigen oder Lehrern gegenüber weniger aufgeschlossen und nehmen deren Hilfe seltener an. Eine unsicher Bindung ist auch Grund für ein idealisiertes oder negatives Selbstbild, was mit einer Über- oder Unterschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit verbunden ist. Die sozialen Einbettung wir durch Ermutigung, Trost, Unterstützung und Kooperation hergestellt. Die Vertrauensbeziehung zwischen Eltern und Kind genauso wie zwischen Lehrer und Kind ermöglicht autonomes Lernen. Leistungsorientierte Schüler haben bei schwierigen Aufgaben mehr Motivation, Ausdauer und effektivere Lösungsstrategien. Hilflose Schüler hingegen vermeiden Misserfolg, haben eine negative Stimmung, sind von eigenen Fähigkeiten nicht überzeugt und gehen weniger effektiv an ein Problem heran. Außerdem erwarten sie negative Rückmeldungen durch Eltern und Lehrer. Lob kann aber auch dazu führen, dass Kinder bei Scheitern an ihren generellen Fähigkeiten zweifeln.

Resümee

Der Einfluss der Familie auf das Verhalten von Schülern kann geteilt werden in direkte (konkretes Verhalten) und indirekte Interventionen (Persönlichkeit und Interessen). Die direkte Intervention ist geprägt durch den elterlichen Einfluss auf die Leistung (Kontrollieren der Hausübung, Instruktion) und den Kontakt der Eltern zur Schule (Engagement bei Schulveranstaltungen). Unter indirekte Intervention versteht man die Förderung von Interessen, Autonomie, Kompetenz und Bindung. Weiters haben die Bildung der Eltern, der soziale Status und die Familienstruktur Einfluss auf das Lernverhalten. Man kann also sagen, dass Eltern ihren Kindern eine optimale Umwelt für die Schulbildung zur Verfügung stellen können. Auch günstige emotionale und motivationale Bedingungen der frühen Kindheit haben positive Auswirkungen auf die intellektuelle Lernbereitschaft. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Verhaltentendenzen von Kindern. Eltern sollten feinfühlig den Signalen des Kindes gegenüber sein und es dadurch unterstützen, aber es auch ermutigen, selbstständig zu handeln. Dabei soll der Entwicklungstand des Kindes berücksichtigt werden.

Quelle

Zimmermann, P. & Spangler, G. (2001). Jenseits des Klassenzimmers. Der Einfluss der Familie auf Intelligenz, Motivation, Emotion und Leistung im Kontext Schule. Zeitschrift für Pädagogik, 47, 461–474


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