Pädagogische Fachzeitschriften 2006

Markus Sommer, Martin Arendasy, Judith Glück

Mathematisches Denken bei Zweitklässlern - Werden unterschiedlich schwierige Textaufgaben unterschiedlich verarbeitet?

Theoretischer Hintergrund

Die wissenschaftliche Untersuchung der Probleme, die Schüler bei der Lösung der Textaufgaben haben, begann in in den 80er Jahren. Man unterscheidet drei grundlegende Textaufgaben: Kombinations-, Veränderung- und Vergleichsaufgaben. Die ausgewählte Arbeit fokussiert an Vergleichaufgaben, die sich als schwierigster Aufgabentyp erwiesen. Diese aufgaben sind durch den quantitativen Vergleich zweier Mengen charakterisiert. Vergleichaufgaben mit unbekannter Vergleichsmenge  (Martin hat 5 Murmeln. Anna hat um 3 Murmeln mehr/weniger. Wie viele Murmeln hat Anna?) scheinen den Schülern leichter zu lösen als Vergleichsaufgaben mit unbekannter Referenzmenge (Martin hat 8 Murmeln. Er hat um 5 Murmeln mehr als Anna (CP5). Er hat um 5 Murmeln weniger als Anna (CP6). Wie viele Murmeln hat Anna?). Logisch-mathemetischen Modelle gehen davon aus, dass für Vergleichaufgaben mit unbekannter Referenzmenge lösungsrelevantes Wissen für die beiden (CP5/CP6) Textaufgabentypen als identisch angenommen wird. Im Gegensatz dazu fokussieren die Textverarbeitungsmodelle auf Defiziten im Situationsverständnis der Kinder.

Untersuchungsmethode und –ablauf

Zum Auswertung der Daten haben die Autoren das Modell von Rasch, das ein Teil der Item-Response-Theorie darstellt. Dieser Test erfasst für alle Testpersonen die selbe latente Eigenschaft und der jeweils erzielte Rohwert kennzeichnet die Testperson eindeutig hinsichtlich ihrer Position auf der zu erfassenden latenten Dimension, was als wesentliches Kriterium für Testfairness gewertet werden kann. Weiters führt jede Verschiebung von Itemparametern zu einer entsprechenden Verschiebung der Personenparameter. Ein weiterer Aspekt der Testfairnerss ist, dass im Teststrohwert keine weitere über den Ausprägungsgrad der betreffenden Testperson in der latenten Dimension hinausreichende Information enthalten ist.

Die Untersuchung wurde in zwei Etappen durchgeführt. Im ersten Teil mussten alle Kinder eine Gruppentestbatterie „Mein kleines Rechenquiz“ lösen. Im zweiten Teil der Untersuchung bearbeitete repräsentative Gruppe der Kinder individuell das Verfahren „Rechencomic“ und ein Screeningverfahren zur Bestimmung der Arbeitsgedächtniskapazität. „Mein kleines Rechenquiz“ beinhaltete Aufgaben zum Kenntnis der Inversen Beziehung zwischen Addition und Subtraktion, Rechenfertigkeit, Kenntnis des Relationalzahlenprizips und Kenntnis der Symmetrie des Vergleichs. „Der Rechencomic“ bestand aus insgesamt 35 einfachen arithmetischen Textaufgaben zur Addition und Subtraktion von Mengen.

Ergebnisse

Diese Studie hat die Annahmen nicht bestätigt, die besagen, dass die Schwierigkeitsunterschiede zwischen CP5 und CP6 sollten nur rein quantitativ sein. Es konnte auch nicht bestätigt werden, dass die unterschiedliche Rechenleistungen durch die Unterschiede der Arbeitsgedächtniskapazität erklärt werden können. Es wurde jedoch das Konstruktions-Integrations-Modell von Kintsch als die beste Erklärung für die Ergebnisse der Studie beurteilt. Kintsch geht in seinem Modell davon aus, dass das mathematische Wissen der Kinder bereits sehr früh in den Lösungsprozess in Form von Hypothesen einfließt. 

Quelle

Arendasy, M., Glück, J. & Sommer, M.(2004). Mathematisches Denken der Zweitkläslern. Psychologie, Erziehung und Unterricht, 51, 99-111.


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