Christina Hager
Lernen, etwas ganz Individuelles
In jeder Phase des Alters lernt man etwas, so zum Beispiel auch schon „Wesentliches lange vor dem Schuleintritt mit Unterstützung [...] von Eltern und anderer Bezugspersonen“ (Hager 2004, S. 38), wobei dabei auch das soziale Verhalten eine wichtige Komponente ist. Im Vergleich dazu fällt es den jungen Leuten schwer, etwas zu lernen was in irgendeiner Weise vom Schulsystem vorgegeben wird (vgl. Hager 2004, S. 38).
Davon kann man ableiten, dass „Lernen etwas ist, was jeder Mensch tun kann und zwar jeder Mensch auf die ihm eigene Art und Weise“ (Hager 2004, S. 39). Alles, was uns über Lernen bekannt ist, wissen wir nur durch das, was wir beobachten können, aber damit ist nicht alles erklärbar. Es bleibt also immer ein „unergründbarer“ Bereich bei Lernprozessen.
Das Lehren muss also Hilfe und Orientierung anbieten um danach etwas fordern zu können (vgl. Hager 2004, S. 39).
Jahrgangsklassen
Die weit verbreiteten und allerseits bekannten Jahrgangsklassen basieren auf dem Prinzip der Homogenität. Man könnte verschiedenste Kriterien wie Geschlecht, Alter; Hobby usw. als Grundlage für Gruppenbildungen heranziehen. Aber es ergibt eben nur anhand vom Alter wirklich Sinn. „Die quantitative Einteilung der Schülerschaft eines Altersjahrganges in Jahrgangsklassen geht auf die Ökonomisierung und Rationalisierung des Schulwesens nach der Einführung der allgemeinen Schulpflicht [...] zurück“ (Schaub/Zenke zit. nach Hager 2004, S. 40). Es tritt gerade in solchen Klassen oft das Problem auf, dass das biologische Alter zwar bei den Kindern gleich ist, aber sie trotzdem individuell verschieden weit entwickelt sind. Wobei aber auch hier wieder eine Fiktion vorliegt, weil „vorzeitig eingeschulte Kinder, normale Schulanfänger, zurückgestellte Kinder lassen bereits in der 1. Klasse die Vorstellung von einer Jahrgangsklasse nicht mehr zu“ (Hager 2004, S. 41). Aus dieser Fiktion ergeben sich auch Probleme: Man muss eine bestimmte Leistungsfähigkeit festsetzen und zwischen über- und unterdurchschnittlichen Leistungen unterscheiden, was eine Aversion gegen das Lernen zur Folge haben kann. Also hat es im Hinblick des definierenden Kriteriums nie rein-homogene Klassen gegeben. Somit ergibt sich die Notwendigkeit zwischen den Individuen zu unterscheiden.
Differenzierung
Da diese Vorgehensweise als zentrales pädagogisches Anliegen formuliert wird, bilden die Altersjahrgänge die Grundlage für weitere Differenzierungen“ (Meschenmoser zit. nach Hager 2004, S. 41). Die Gesellschaft fordert also eine stärkere Konzentration auf die Individualität im Schulsystem. „Diese Gesellschaft ist eine pluralistische, in der Weltanschauungen, Ideologien, Interessen und Meinungen sehr unterschiedlicher, auch kontroversieller Art existieren“ (Hager 2004, S. 42). Diese Vielfalt macht es möglich unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen. Weiters kann man dadurch auch neue Formen wie Mehrstufenklassen, Offenes Lernen, Integration, Begabungsförderung etc. einsetzen.
Orientierung
Aufgrund dieser neuen Anschauungen kam es auch zu Forschungsprojekten, die Zielvorstellungen formulieren und somit Ansprüche äußern (vgl. Hager 2004, S. 42):
Nur durch Differenzierung kann man ganzheitliche Bildung erreichen.
Man muss die Ressourcen weiterentwickeln damit sie diese überhaupt zulassen.
Die Lehrkräfte müssen über Haltung und Wissen verfügen, was eine laufende Weiterbildung fordert.
Man muss die Möglichkeiten flexibilisieren zur Gestaltung der Schullaufbahn (vgl. Hager/Oswald zit. nach Hager 2004, S. 43).
Hier werden einiger dieser Forderungen umgesetzt. Soviel Fürsprache diese Klassen auch genießen, soviel Zweifel und Vorbehalte werden auch laut. Oft werden Mehrstufenklassen nur sehr oberflächlich gegliedert, wodurch wieder sehr altershomogene Gruppen entstehen (vgl. Hager 2004, S. 44). Im optimalen Fall muss diese Mehrstufigkeit bis auf einige Ausnahmen in Teilbereichen streng durchgezogen werden. Das fordert natürlich das Lehrpersonal besonders, denn „wer mehrstufig arbeitet, muss das Ganze im Auge haben, ohne die Einzelheiten zu übersehen“ (Hager 2004, S. 44).
Natürlich hat die Gesellschaft auch gewisse Erwartungen an dieses System.
Es soll hier vorrangig um die Bedingungen, unter denen Leistungen erbracht werden, und nicht um die absolut erreichte Leistung gehen, weil man auch so an sich höhere Leistungen erwarten kann (vgl. Hager 2004, S. 44). Eine Grundregel ist, dass Unterricht dann gut ist, wenn alle Schülerinnen und Schüler etwas lernen (vgl. Rollett zit. nach Hager 2004, S. 45)
Vorteile des Mehrstufensystems
Der Zeitdruck ist geringer, weil nicht alle zur selben Zeit das Ziel erreichen müssen.
Die Kinder und Jugendlichen sind wirklich wissbegierig, weil die älteren als Vorbild gelten.
Man freut sich über das, was man kann, weil man es wieder an andere weitergeben kann.
Durch die gegenseitige Unterstützung flammen kaum Konkurrenzkämpfe auf, es wird schon sehr bald das Element der sozialen Kompetenz integriert und es bleibt genügend Platz damit sich jede Persönlichkeit frei entfalten kann (vgl. Hager 2004, S. 45). Weiters können hier Kinder eingebunden werden, die „zwar keinen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, aber aus unterschiedlichen Gründen in der Situation einer Jahrgangsklasse nicht optimal gefördert werden können“ (Hager 2004, S. 46).
Welches System ist nun das Beste?
Ob nun Mehrstufenklassen besser oder schlechter als die Jahrgangsklassen sind, kann man nicht pauschal formulieren, denn „das Ziel, das erreicht werden soll, bestimmt den Weg“ (Hager 2004, S. 46). Damit eine bestmögliche Entscheidung getroffen werden kann, müssen die Lehrkräfte über die verschiedensten Methoden Bescheid wissen um dann geeignete auswählen zu können.
Hager, C. (2004). Lernen in Mehrstufenklassen. Erziehung und Unterricht, Jänner/Feber 1-2, 38-47.