Pädagogische Fachzeitschriften 2006

DISPOSITIONSSPIELRÄUME IM BEREICH DER SCHÜLERBEURTEILUNG

Auch ein Beitrag zur Professions- und Organisationsforschung

Nach Lüders (2001, S. 217) wird untersucht, „wie Dispositionsspielräume im Bereich der Schülerbeurteilung von Lehrkräften genutzt werden, welchen Stellenwert Zensuren in der professionellen Kommunikation unter Kollegen haben und wie Lehrkräfte die defizitäre wissenschaftliche Rationalisierung ihrer Beurteilungs- und Zertifizierungspraxis kompensieren, wenn Begründungsverpflichtungen einzulösen sind.“ (Lüders 2001, S. 217) 

Leistungsbeurteilung ist immer ein heikles Thema, denn es spielt oft die subjektive Empfindung des einzelnen Lehrers eine wesentliche Rolle. Jedoch stellt die Benotung der Schüler die zentrale Aufgabe eines Lehrers, neben dem Unterricht, dar. Dazu bedarf es Tests, ständiger Mitarbeitsaufzeichnungen, Schularbeiten, Hausübungen, etc. um die Note eventuell begründen zu können. Es fehlt jedoch an Aufzeichnungen und Studien, wie viel Wert eine Note wirklich ist. (S. 217f) 

Bei der Benotung gibt es gewisse „Spielräume“ und auch Kritiken. So zum Beispiel, dass man die Benotung nicht erlernt. Junge Lehrer/innen müssen selbst aktiv bei ihren ersten Prüfungen lernen und erkennen, wie man benotet oder worauf es ankommt. Weiters kann man als Mensch die Subjektivität nicht ausschalten. Dies ist auch der Grund, dass „gleiche Leistungen häufig nicht gleich bewertet werden“. Sind dann einmal Richtlinien vorhanden so sind diese wiederum sehr großzügig formuliert, als Teil der „pädagogischen Freiheit“. Man ist sich auch uneinig, ob man die Benotung als Selektion oder als Rückmeldefunktion sieht und welche der unzähligen Beurteilungsvarianten als praktikabel und fair gilt. Aus diesem Grund ist und bleibt die Benotung weiterhin, bis zu einem gewissen Teil, die subjektive Meinung des Lehrers/ der Lehrerin. (S. 218f) 

Nachfolgend wurden im Artikel einige spezielle Problematiken mittels (Kurz-) Fragebögen - welche von Lehrern, Schulleitern und Personen aus der Schulaufsicht; aus verschiedenen Schultypen; ausgefüllt wurden – erarbeitet, wie zum Beispiel: 

Der Stellenwert des Leistungsurteils in der Kommunikation unter Kollegen

Dabei ging es herauszufinden, ob bei Klassenübergaben auf die bisherigen Aufzeichnungen und Benotung der Vorgänger geachtet werden und ob Eltern bzw. Schulleiter etwas mitzureden haben. Zusammenfassend kann man sagen, dass Lehrer/innen sich gerne selber ein Bild von den einzelnen Schülern machen (denn Punkte bzw. Aufzeichnungen sind schwer zu bewerten, wenn man den Hintergrund / die Situation der Entstehung nicht kennt) und nur hauptsächlich die Zeugnisnoten vergleichen auf gravierende Unterschiede bei etwaigen Beschwerden. Was die Eltern betrifft muss man leider feststellen, dass diese kaum mehr Interesse zeigen an der Entwicklung ihrer Kinder. (S. 222ff)

Äußere Einflüsse auf die Zensurgebung im Urteil der Lehrer

Unter „äußere Einflüsse“ versteht man hier nur Eltern, Kollegen und Schulleiter im Besonderen bei der Zeugnisnote oder bei Begründungen der Note bei Elterngesprächen (wie bereits erwähnt spielen die Eltern hier keine große Rolle). Gerne jedoch geben verschiedene Lehrer in denselben Jahrgängen die gleichen Schularbeiten, Prüfungen, etc. um die Schüler einfach einheitlicher auszubilden und zu benoten oder man holt sich zum Beispiel eine zweite Meinung eines Kollegen bei einer schriftlichen Prüfung ein. Dies erhöht die Fairness einer Note. Anders sieht es aus, wenn der Schulleiter möglichst gute Abschlüsse und hohe Erfolgsquoten verlangt um gegenüber anderen Schulen besser dazustehen. Sollte es jedoch zu Einsprüchen seitens der Eltern kommen ist es umso wichtiger, so viele Aufzeichnungen wie möglich vorlegen zu können, um die Benoten zu rechtfertigen. (S. 226ff) 

Die Bedeutung der Befunde für die schulbezogene Professions- und Organisationsforschung

Im Artikel wird hier über „Negative Autonomie“ gesprochen: auf der einen Seite muss jeder Lehrer / jede Lehrerin (subjektiv) entscheiden, welche Note sie dem Schüler gibt; kommt es jedoch zu einem Lehrerwechsel nimmt dieser die Aufzeichnungen kaum war, da er das Geschehene nicht gleich werten kann bzw. weil er sich selber eine Meinung bilden will/muss. Begründen kann man dies, dass die Urteile in der Schule „kontextspezifisch“ sind. D.h. ich weiß, was ich mit den Schülern durchgenommen habe, was sie können müssten und ich sehe auch, was mir jeder einzelne Schüler liefert. (S. 231ff) 

Solange der Unterricht und die Beurteilung von einzelnen Personen abgehalten werden, wird es nie zu einer gerechten Benoten kommen, denn die Subjektivität des Individuums lässt sich nicht ausschalten! 

Quelle

Lüders, M. (2001). Dispositionsspielräume im Bereich der Schülerbeurteilung. Auch ein Beitrag zur Professions- und Organisationsforschung. Zeitschrift für Pädagogik, 47 Nr. 2, 217-234.


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